Am 21. Februar, ist der „Internationale Tag der Muttersprache“.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Am 21. Februar, ist der „Internationale Tag der Muttersprache“. Deshalb möchten wir euch heute etwas zu Sprachen, und speziell zur Gebärdensprache, erzählen.
Die Erstsprache ist die Sprache, die ein Mensch als erste Sprache lernt. Umgangssprachlich wird die Erstsprache oft als Muttersprache bezeichnet. Mehrsprachige Menschen beherrschen ihre Erstsprachen meistens mit der höchsten Kompetenz.
Sprache bedeutet, dass eine Person Sprache an eine zweite Person sendet, zB auf Deutsch. Die zweite Person empfängt die Sprache von der ersten Person. Wenn die zweite Person den Inhalt versteht, spricht man von Kommunikation.
In der Kommunikation stoßen gehörlose Menschen häufig auf Barrieren. Im Gegensatz zu Blinden oder Rollstuhlfahrern fallen gehörlose Menschen im Alltag nicht auf. Ihre Behinderung ist unsichtbar. Aber Gehörlose und Hörende kommunizieren in verschiedenen Sprachen und stoßen deshalb in der Kommunikation miteinander rasch auf Barrieren, weil sich die Gebärdensprache und die deutsche Lautsprache in Struktur, Aufbau und Grammatik wesentlich voneinander unterscheiden.
Die Österreichische Gebärdensprache, kurz ÖGS gehört zur Familie der visuell-gestischen Sprachen. Die einzelnen Bestandteile (Gebärden) und die Grammatik sind in der Gebär-densprache im Gebärden-Raum organisiert. Die Bestandteile der manuellen Komponen-ten der Gebärdensprache sind die vier Parameter: Handform, Orientierung, Ausführungsstelle und Bewegung. Zusätzlich zu den manuellen Komponenten sind in Gebärdensprachen aber auch die non-manuellen Komponenten sehr wichtig. Der non-manuelle Bestandteil umfasst u. a. Bewegungen der Augenbrauen, Blickrichtung, Augenzwinkern, Mundbewegungen, Kopfbewegung und Orientierung des Oberkörpers. Die Mimik stellt in der ÖGS nicht nur non-verbale Zusatzinformationen von Emotionen dar.
Das Wort Muttersprache ist im Zusammenhang mit Gebärdensprache etwas schwierig. Die meisten Gehörlosen wachsen in den ersten Lebensjahren nicht mit Gebärdensprache auf, weshalb die Gebärdensprache oft nicht die Muttersprache ist, sehr wohl aber die Erstsprache, die Sprache, die am liebsten verwendet wird und mit der sich Gehörlose am wohlsten fühlen. In der visuellen Gebärdensprache können Gehörlose vieles besser aus-drücken.
Für gehörlose Menschen ist nur eine visuelle Sprache zu 100 % barrierefrei wahrnehmbar, nur so können Inhalte ohne zusätzliche Anstrengung aufgenommen werden.
Gebärdensprache hat auch manchmal Vorteile, zum Beispiel, dass man sich durch Glasscheiben und geschlossene Autofenster hindurch unterhalten kann.
Im Alltag müssen Gehörlose aber noch mit vielen Barrieren zurechtkommen, in erster Linie mit Kommunikationsbarrieren. Wir Gehörlose empfinden uns nicht als behindert, sondern als Teil einer kulturellen und sprachlichen Minderheit. Unsere Barrieren liegen in der Sprache und somit in der Kommunikation. Für uns Gehörlose ist die Organisation des Alltags oft komplizierter als für hörende oder schwerhörige Menschen. Wir brauchen technische Hilfsmittel und die Unterstützung von Dolmetschern, um die Kommunikati-onsbarrieren überwinden zu können.
Ein großer Problembereich für gehörlose Menschen in Österreich ist auch die Bildungssi-tuation. Diese ist für Gehörlose leider miserabel. Es wird bereits in der Volksschule viel verpasst, da es kaum Förderung für Gehörlose und kaum Angebote in Gebärdensprache gibt. Dabei wäre es so wichtig, schon kleinen Kindern von Anfang an die Chance auf Bildung, insbesondere auch in Gebärdensprache, zu geben. Ohne gute Ausbildung ist es sehr schwer, Zugang zur Arbeitswelt zu finden. Ohne Arbeit sind Gehörlose auf das soziale Netz des Staates angewiesen, ein unerträglicher Zustand. Die Verantwortung dafür liegt ganz klar im Bildungsbereich. Wenn Gehörlose den gleichen Zugang zu Bildung bekommen wie hörende Kinder, können sie besser ausgebildet leichter einen guten Arbeitsplatz finden und damit ihren Beitrag ins Steuer- und Sozialsystem leisten. Die Ausgaben des Staates würden sich dadurch letztendlich sogar verringern.
Im Bildungsbereich für Erwachsene braucht es klare Regelungen, wer in welchem Fall die Kosten tragen muss. Im Moment drücken sich viele größere Institutionen, die eigentlich wirtschaftlich stark genug wären und die Kosten für GebärdensprachdolmetscherInnen leicht tragen könnten. Hier braucht es eine klare gesetzliche Regelung!
Gehörlose können alles außer hören, mit entsprechender Bildung stehen ihnen deshalb fast alle Wege offen!
In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hat sich aber auch einiges verändert. Die ÖGS ist seit 2005 in der Verfassung verankert, seit 2017 gibt es nun endlich einen Entschlie-ßungsantrag betreffend die Qualität in der Ausbildung von Lehrkräften in der Österreichi-schen Gebärdensprache (ÖGS). Es ist erfreulich, dass der Antrag zur Verbesserung der Aus- und Weiterbildungsangebote für LehrerInnen in ÖGS einstimmig angenommen wurde. Es werden in Zukunft die Aus- und Weiterbildungsangebote für LehrerInnen in ÖGS nach dem europäischen Referenzrahmen für Sprachen klassifiziert und das Niveau in je-der Kursbestätigung ausgewiesen. Auch die Zahl der GebärdensprachdolmetscherInnen steigt kontinuierlich an. Jedes Jahr kommen ein paar neue GebärdensprachdolmetscherInnen hinzu. Auf dieser Seite geht es bergauf, aber die Gehörlosengemeinschaft schrumpft gleichzeitig. In der Zeit von 1970 bis 1990 gab es durchschnittlich fünf bis zehn Gehörlose pro Klasse in der GL-Schule. Die älteren konnten als Vorbild und Role-Model für die jüngeren Schüler und Schülerinnen fungieren, dies stärkte die Identität der Gehörlosen. Jetzt sind zumeist nur ein bis zwei Gehörlose in einer Klasse. Viele Kinder sind verstreut in verschiedenen Schulen. Was fehlt, ist der Kontakt zueinander. Dazu kommt, dass nur zehn Prozent der gehörlosen Kinder selbst gehörlose Eltern haben, 90 Prozent der gehörlosen Kinder haben hörende Eltern und damit zumeist keinen Zugang zu Gebärdensprache von Beginn an. Fast alle Kinder haben mittlerweile ein Cochlear Implantat. Dies ist allerdings nur ein technisches Hilfsmittel. Es gibt eine Studie, die be-sagt, dass nur ein Drittel der Kinder mit CI sich sprachlich gut entwickeln, ein weiteres Drittel hat Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung und das restliche Drittel hat leider gar keine gute Sprachentwicklung.
Für die Zukunft haben wir Gehörlose noch viele Wünsche. Wir brauchen die Gebärdensprache in allen Lebensbereichen, begonnen von der Frühförderung und Früherziehung, über den Kindergarten, in der Schule sowie in der Berufsausbildung. Wir brauchen zwei-sprachigen Unterricht durch qualifizierte, bilinguale PädagogInnen, die über fundierte Kenntnisse über GL-Kultur und GL-Geschichte verfügen und wir brauchen gleichwertig aufgearbeitete Lehr- und Unterrichtsmaterialien, damit wir genauso gut lernen können wie hörende Menschen. Wir brauchen Bildung, um gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben zu können. Deshalb fordern wir Gehörlosen die Finanzierung von GS-Forschung als wissenschaftliche Grundlage für die Aus- und Weiterbildung von qualifizierten Gebär-densprachdolmetscherInnen und PädagogInnen sowie die Finanzierung von entsprechen-den Ausbildungsstätten und der Kosten für den Einsatz von GS-DolmetscherInnen in den verschiedensten Lebensbereichen, besonders aber im Bildungsbereich.
Danke für eure Aufmerksamkeit! ... See more